Die Plagen von Baltimore"Gemeint waren die Tweets, mit denen der amerikanische Präsident am Samstag den demokratischen Abgeordneten Elijah Cummings angegriffen hatte, einen seiner gewichtigsten Kritiker im Kongress. Cummings’ Heimatstadt Baltimore erklärte Trump zu einem „gefährlichen und dreckigen Ort“, zu einer „ekelhaften“ und „rattenverseuchten“ Stadt, in der „kein Mensch leben“ wolle. Am Montag legte der Präsident nach. Er nannte Sharpton einen „Hochstapler“, der „Weiße und Polizisten hasst“. Und weil „König Elijah und seine Crew“ in Baltimore gescheitert seien, habe die Stadt die übelste Kriminalitätsstatistik der Nation. Dass ein Politiker, der einen Teil einer Großstadt und ihres Umlands im Kongress vertritt, wenig bis nichts mit der dortigen Verbrechens- oder Schädlingsbekämpfung zu tun hat, scherte den Präsidenten nicht."
"Doch einige arme, fast nur von Afroamerikanern bewohnte Stadtteile haben an diesem Aufschwung keinen Anteil. Wer die Kultserie „The Wire“ über das trostlose Rauschgiftmilieu von Baltimore anschaut, erhält ein bis heute realistisches Bild des Alltags. Als 2015 nach dem Tod des Schwarzen Freddie Gray in Polizeigewahrsam Proteste in schwere Randale mündeten, wurde im Westen der Stadt ein ausgebrannter Drogeriemarkt zum tragischen Symbol: Die Brandstifter hatten das einzige größere Geschäft weit und breit zerstört. Supermärkte oder Apotheken sahen sich in ihrem Unwillen bestätigt, Filialen in den armen Stadtvierteln aufzumachen. Obst und Gemüse zu kaufen, ist mancherorts in einem Drei-Meilen-Radius unmöglich. An Jugendzentren und ähnlichen Einrichtungen mangelt es. Halt suchen viele Kinder in Gangs."
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Voriges Jahr wurden 309 Morde in Baltimore begangen – mehr als in New York mit seiner fast 14 mal so großen Bevölkerung. Das FBI führte Baltimore 2017 hinter Detroit und Saint Louis auf Rang drei der gefährlichsten Städte Amerikas. Dabei schien die Polizei vor einigen Jahren auf einem guten Weg gewesen zu sein, der Gewalt Herr zu werden. Beileibe nicht nur Trump-Anhänger argwöhnen, dass die neue Gewaltexplosion eine Folge der Vereinbarung sei, die das Bundesjustizministerium zum Ende von Barack Obamas Präsidentschaft mit der Stadt Baltimore getroffen hatte. Seitdem, so heißt es, traue sich die Polizei nicht mehr, in der nötigen Härte durchzugreifen."
Ein Buch muß die Axt sein für das gefrorene Meer in uns. - Kafka